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Der Ötztaler-Sieger und die Doping-Diskussion

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10.03.2017

Wie umgehen mit den Anschuldigungen?

Die Sieger des Ötztaler Radmarathons und der Tour de France haben eine Gemeinsamkeit: Sie werden fast schon traditionell im Anschluss an die Siege des Dopings verdächtigt.

Viele Sieger und Top-Platzierte der vergangenen Jahre wurden wenig später bei anderen Events des Dopings überführt. Auch Bernd Hornetz sieht sich nach seinem Ötztaler-Sieg Anschuldigungen ausgesetzt. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern geht Hornetz mit dem Thema offen um - er fordert seit langem mehr Dopingkontrollen bei Radmarathons.

Zahlen und Fakten zum Ötztaler-Sieger

Bernd Hornetz: „Wer zweifeln will, dem kann ich das nicht verübeln. Es ist absolut nachvollziehbar. Das zeigen die vielen positiven Dopingproben, die es auch im Hobby- und Amateurradsport gibt. Zu meinem Ötztalerergebnis möchte ich noch einige Zahlen und Fakten nennen:

Faktor 1: Die Rennbedingungen

Denn die waren tatsächlich ideal, um eine sehr gute Zeit zu erzielen, was nicht nur mir, sondern auch sehr vielen anderen Fahrern gelungen ist. Dazu kann man die Zeiten in der Spitze ebenso heranziehen wie die der Fahrer auf den Plätzen 100 bis 400. Im Übrigen gab es schon mindestens zweimal schnellere Zeiten: 2001 fuhr Hugo Jenni (damals als Profi) 6:50:31 Stunden und 2004 Mirco Pulgioli 6:54:23 Stunden.

Faktor 2: Das Gewicht

Ich esse zu gerne, als dass es viel weniger werden könnte. So habe ich reichlich Fett auf den Rippen. Ich würde vermuten, es sind für einen Bergfahrer indiskutable neun oder zehn Prozent Körperfett, die mir aber am Ende bei so langen Rennen in gleichmäßiger Fahrweise möglicherweise wieder helfen. Auf meine 63 Kilogramm Körpergewicht muss man die sechs Kilogramm für mein Corratec-Rad, die Trinkflaschen, ein paar Gels und Bars und den Rest der Ausrüstung draufrechnen.

Faktor 3: Das Training

Auf Strava sieht man, dass ich meine 20.000 Trainingskilometer, die ich vor dem Ötztaler in den Beinen hatte, fast komplett innerhalb von nur viereinhalb Monaten gefahren bin. Wenn man das aushält, neben der Arbeit, dann hat das einen ganz anderen Effekt, als verteilt auf acht Monate. Und genau das ist eine meiner größten, wenn nicht die größte Stärke. Bei diesen Umfängen zeigen mir viele Freunde und Trainingskollegen regelmäßig – und ab und zu auch meine Frau – den Vogel. Aber mir geht es gut dabei.

Faktor 4: Die Gene

Ergänzend zu dem zuvor genannten kann ich lange eine hohe, aber nicht zu hohe Leistung treten. Das war bisher bei allen meinen „größten“ Erfolgen so: Immer war ich sehr lange in Fluchtgruppen oder fuhr alleine. Ich hatte dieses Jahr wegen der langen Trainingspause von Januar bis Mitte April keinen Leistungstest, aber meine FTP (Functional Threshold Power) wird auf 335 Watt geschätzt. Dass der Mensch ab dem Alter von 40 Jahren etwa zwei Prozent seines Leistungspotenzials pro Dekade verliert, haben mir Sportwissenschaftler und Trainer wie Dennis Sandig und Kuno Messmann bestätigt. Meine Lust am Radfahren ist dennoch ungebrochen.“

 

 

 

Standpunkt - Unser Kommentar dazu:

"Bernd Hornetz hat in diesem Jahr den Ötztaler Radmarathon gewonnen. In neuer Rekordzeit. Bernd ist 48 Jahre alt und hat einen normalen Job. Nach seinem Sieg wurde er massiv angegriffen. So eine Leistung ist ohne Doping unmöglich – haben ihm viele Leute vorgeworfen. Das finde ich schade.

Ja, auch bei Radmarathons und unter Hobbysportlern wird gedopt. Ja, es braucht mehr Dopingkontrollen. Nein, ich würde für niemanden die Hand ins Feuer legen. Aber: Ein Generalverdacht lässt langfristig die ganze Sportart erodieren. Man kann sich entscheiden, an was man als erstes denkt, wenn man außergewöhnliche Leistungen sieht: An Betrug oder an ein Zusammenspiel aus hartem, langjährigem Training – bitte schaut euch doch einmal Bernds Trainingspensum auf Strava an – und Talent.

Allein die maximale Sauerstoffaufnahme ist zu rund 50 Prozent genetisch bedingt. Wenn ein Real-, Barca- oder Bayern-Spieler zehn Tage nach einer schweren Verletzung wieder auf dem Platz steht oder nach 60 Saisonspielen in der 120. Minute des Champions-League-Finales bei seinem 60. Zehn-Meter-Sprint noch genauso schnell ist wie bei seinem ersten, sagt niemand: "Das geht nur mit Doping." Wobei klar ist, dass Doping im Spitzensport systemimmanent ist. In so gut wie allen Sportarten. Auch im Fußball. Genauso wie die „Selbstoptimierung“ um jeden Preis zu den Auswüchsen einer Leistungsgesellschaft gehört. Ja, ich weiß, was Whataboutism ist." David Binnig


 

Quelle: 

Redaktion RennRad; Fotos: Sportograf, G. Heede

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