Ein Report über Betrug und Selbstbetrug
Nicht nur der Profi-Radsport hat ein Dopingproblem. 2015 gab es auch bei den Hobby- und Jedermannfahrern so viele überführte Doper wie noch nie. Ein Report über Betrug und Selbstbetrug.
Dopingmittel sind gesund. Zumindest für manche Menschen, für Kranke sind sie Medizin. Erythropoetin (EPO) zum Beispiel hilft Menschen mit Blutarmut. Testosteron wird Männern verschrieben, die an einer Hodenunterfunktion leiden. Ephedrin ist in vielen Hustensäften enthalten. Man bekommt diese Mittel vom Arzt verschrieben. Im Sport sind sie verboten, sie stehen auf der Liste der verbotenen Substanzen. Zum Einsatz kommen sie trotzdem, auch im Jedermann- und Hobby-Radsport. Gerüchte und Verdachtsfälle gab es seit Jahren. 2015 war nun das Jahr der positiven Proben.
Emanuel Nösig (Österreich), Roberto Cunico (Italien) und Oscar Tovar (Kolumbien) sind einige der Fahrer, die „positiv“ waren. Sie sind keine Profis, sie leben nicht vom Radsport – aber vielleicht für ihn. Ihre Fälle wurden publik nach Dopingkontrollen – bei den österreichischen Bergmeisterschaften, dem Granfondo Sestriere und dem Granfondo New York (GFNY). Es sind klassische Amateur- und Jedermann-Events. Die Anzahl von Dopingtests dort ist ziemlich überschaubar. Dennoch häuften sich in den letzten Jahren die Positivfälle. Sind Nösig, Cunico und Tovar nur die Spitze des Eisbergs?
Wo beginnt Doping überhaupt? Wie kann man dem „Schneller – Höher – Weiter“ im Hobbyradsport gegensteuern? Der Report gibt einen Einblick, über Mittel und Möglichkeiten in der Breitensport-Szene.
Schmerz lass nach
Wo fängt Doping eigentlich an? Schmerzmittel wie Aspirin, Ibuprofen oder Paracetamol gelten offiziell nicht als Doping. Die Wirkstoffe stehen nicht auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Wer die Präparate schluckt, betrügt demnach niemanden. Außer sich selbst. Er schaltet die Warnsignale seines Körpers bewusst aus. Das Gehirn sagt plötzlich: Alles ist gut. Es tut nichts mehr weh. Du kannst weiterfahren. Dass Breiten- und Hobbysportler mit Schmerzmitteln hantieren, beschrieb schon eine Studie aus 2009. Beim Bonn-Marathon wurden 1.024 Teilnehmer vor dem Start zu ihrem Medikamentenstatus befragt. Mehr als 60 Prozent von ihnen gab an, „aus Angst vor Schmerzen“ zu entsprechenden Präparaten gegriffen zu haben. Erhebungen im Hobby-Radsport ergeben ein ähnliches Bild. Dabei ist der Einsatz von Anti-Schmerz-Präparaten ein potenziell gefährliches Vorgehen. 2014 starb das US-Radtalent Chase Pinkham an einer Überdosis starker Schmerzmittel. Er wurde nur 23 Jahre alt.
„Niere und Magen-Darm-Trakt stehen bei Ausdauersportlern unter einem besonderen Stress. Eine Vielzahl von Beschwerden, vor allem Blutverluste und Funktionsstörungen sind die Folge“, heißt es im Deutschen Ärzteblatt. Besonders problematisch ist die Einnahme von Schmerzmitteln vor Beginn des Wettkampfs. Sie belasten den Magen-Darm-Trakt und die Nieren unnötig und provozieren zusätzlich Elektrolytstörungen. Diese können in einer massiven Hyponatriämie gipfeln, einem zu niedrigen Natriumspiegel im Blut. Dies kann im Extremfall zu akutem Kreislaufversagen oder dem plötzlichen Herztod führen.
Tramadol: Das „Wundermittel“
Nebenwirkungen und Langzeitschäden sind im Sport scheinbar leider keine Argumente gegen den Einsatz von Schmerzmitteln. Tramadol zum Beispiel gilt als „Wundermittel“. Es gehört zur Gruppe der opioiden Schmerzmittel. Diese sind sehr effektiv - und können Patienten abhängig machen. Dennoch ist Tramadol im Radsport weit verbreitet. Die WADA erklärte, dass man Spuren des Medikaments in etlichen Dopingtests festgestellt habe. Die Direktorin der Cycling Anti-Doping-Commission (CADF), Francesca Rossi, bestätigt: „Eine Statistik belegt, dass es im Profi-Radsport 675 Dopingfälle gäbe, wenn Tramadol verboten wäre.“
Wie wirkt dieses vermeintliche „Wundermittel“? „Tramadol machte mich euphorisch, aber es fällt einem schwer, sich zu konzentrieren. Es tötet die Schmerzen in den Beinen und man kann wirklich hart treten“, so beschrieb es Ex-Sky-Profi Michael Barry im Gespräch mit der „Times“. Verboten wurde das Schmerzmittel von der WADA auch 2016 nicht. Dabei steht es schon seit 2012 unter Beobachtung. 2014 kam der Verdacht auf, das Medikament sei einer der Gründe für die vielen Stürze bei den Frühjahrsklassikern. Tramadol senkt zwar die Schmerzempfindlichkeit, es führt aber auch zu Bewusstseinstrübungen. Eine gestörte Sinneswahrnehmung und Einschränkung der Koordinationsfähigkeit sind die Folge. Viele der Stürze im Peloton waren den Unachtsamkeiten der Fahrer geschuldet
Und in der Hobby- und Amateurszene? Paracetamol oder Ibuprofen sind deren Tramadol. Es sind die gängigsten Schmerzmittel. Frei erhältlich in jeder Apotheke. Ein deutscher Jedermann-Fahrer, der namentlich nicht genannt werden möchte, bestätigt gegenüber RennRad : „Es muss ja nicht immer gleich Epo sein. Eine Person sagte mal zu mir, dass sie sich vor den Rennen Ibuprofen einwirft. ‚Dann brennen die Beine nicht so‘. Die Person fährt hobbymäßig und in dem Bereich Platz 400 und aufwärts.“
Sinkende Hemmschwelle
Wer regelmäßig Schmerzmittel konsumiert, für den ist der nächste Schritt nicht weit: Der Griff zu verbotenen Substanzen. Deren Anzahl ist kaum mehr überschaubar geworden. Ständig drängen neue Mittel auf den „Doping-Markt“. Längst findet der Austausch darüber in entsprechenden Internetforen statt. Dort erfährt man zum Beispiel, dass es ein Präparat gibt, das eine EPO-ähnliche Wirkung hat und in Tablettenform eingenommen wird: Kobaltsalz. Ursprünglich entwickelt als Medikament gegen Blutarmut, findet es auch in der Sportlerszene regen Anklang. Es ist leicht zu bekommen, kostengünstig und kann oral eingenommen werden. Schon nach wenigen Stunden ist es nicht mehr nachweisbar. Alleine diese Tatsache reicht einigen Sportlern als Argument. Dabei sind die Nebenwirkungen viel dramatischer: „Die Einnahme kann zu schweren Organschäden führen, im Magen-Darm-Trakt, der Schilddrüse, der Niere, aber auch des Herzens“, erklärte Prof. Wolfgang Jelkmann, ein anerkannter Experte der Uni Lübeck, bereits Ende 2014. Warum sind trotzdem immer mehr Menschen bereit diese Risiken einzugehen?
Doping-Motive
Bei der Suche nach den Motiven von „Hobby-Dopern“ stößt man sehr schnell auf eine Verknüpfung, die nach außerhalb des gesellschaftlichen Teilsytems „Sport“ führt. Denn das Problem der Selbstmedikation ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Nur in anderen Bereichen des Lebens wird „Doping“ beziehungsweise die Selbstoptimierung um jeden Preis meist weder sichtbar noch geahndet. Ethisch anstößig finden es die Wenigsten, wenn „verhaltensauffällige“ Kinder ruhiggestellt werden, wenn Studenten Ritalin schlucken, um sich in den Lernphasen besser konzentrieren zu können, wenn der Manager mit Amphetaminen hantiert oder die Kindergärtnerin hohe Dosen Kopfschmerztabletten konsumiert. Wir schlucken Pillen, um abends länger feiern zu gehen und bewundern Extremsportler, die sich kopfüber Klippen herabstürzen und dabei für koffein- und taurinhaltige bunte Brausen werben. Die Leistung zählt. Das Leistungsdenken ist in uns modernen Individuen fest verankert. Das gilt auch im Sport, egal ob beim Ötztaler Radmarathon, dem Marathona dles Dolomiti, dem Berlin Marathon oder dem Stadtlauf von Castrop-Rauxel. Eigentlich handelt es sich doch um Events, an denen jeder teilnehmen kann. Wer bei manchen Jedermann-Rennen allerdings den Betreuerstab und die Logistik der Top-Fahrer betrachtet, der kommt sich manchmal vor wie bei einer Miniaturausgabe der Tour de France. Es wird optimiert, es geht um die reine Leistung. Das ist menschlich. Es ist also logisch, dass auch im Sport genauso wie in den anderen sozialen Bereichen versucht wird, sich selbst zu „tunen“.
Klassische Schnellmacher
In der Liste verbotener Substanzen sind es die „Klassiker“, die den Radmarathon-Siegern Emanuel Nösig, Roberto Cunico und Oscar Tovar 2015 zum Verhängnis wurden. Bei Nösig fand man Furosemid und 5aAdiol, 5bAdiol im Körper. Das eine ist ein Maskierungsmittel, das andere ein „anabol-androgenes Steroid-Testosteron“ (laut Österreichischem Radsportverband). Nösig wurde von seinem Verband bis zum 31. Januar 2017 gesperrt. Seitdem schweigt er. Interviews lehnt er ab. Zur Granfondo-Saison 2017 könnte er bereits zurückkehren. Bei der Aufklärung über eventuelle Hintermänner hat Nösig nicht kooperiert. Auch Roberto Cunico, Ötztaler-Sieger von 2013 und 2014, schweigt. Er wurde im Herbst 2015 beim italienischen Granfondo Sestriere des EPO-Dopings überführt. Auch beim Granfondo New York wurde ein „Spitzenfahrer“ aus dem Verkehr gezogen.
Der Kolumbianer Oscar Tovar hatte das Rennen gewonnen. Im Nachhinein wurde ihm Doping mit synthetischem Testosteron nachgewiesen, der Sieg wurde ihm aberkannt. Auch die dritte der Damen-Wertung von New York, Yamile Lugo aus Kolumbien, wurde positiv getestet. In ihrer Probe wurde ein Steroid gefunden. Der Organistor des Events, Uli Fluhme, finanziert die Dopingtests selbst, um Betrüger abzuschrecken. Auch in Italien gab es 2015 positive Dopingfälle bei Granfondo Events. Michele Maccanti gewann erst den GF Sportful. Kurz darauf wurde er des EPO-Dopings überführt.
Machtlose Kontrolleure
Für die Dopingfahnder sind diese „Fälle“ Erfolge. Sie geben allerdings wenig Anlass zum Feiern. Das Bild von „Zufallstreffern“ verfestigt sich, sobald man mit Experten spricht. Man erwische „nur noch die Ungeschickten“, meint zum Beispiel Dr. Helmut Mahler. Er arbeitet als Sachverständiger beim Landeskriminalamt in Düsseldorf. Als Wissenschaftler könne man nur dann erfolgreich sein, wenn man sein Ziel kenne, meint Mahler. „Eine Non-Target-Suche ist nicht möglich.“ Dabei seien die Möglichkeiten des Doping-Marktes mittlerweile nahezu unbegrenzt.
Im Internet kann man sich sein ganz persönliches Epo-Molekül designen lassen. Man braucht nur „ein Atom verändern“ und könne damit Millionen oder Billionen Varianten des Blutdopingmittels EPO schaffen. Nur ein Bruchteil dessen kann von Fahndern aufgespürt werden. Gezahlt wird auf Internetseiten wie der von „Cayman Chemicals“ per Kreditkarte. Die entsprechende EPO-Lieferung gibt es wenige Tage später frei Haus. Man muss dann nur noch Platz dafür in seinem Kühlschrank schaffen. Auch extrem gefährliche Mittel wie etwa GW1516 sind im Netz nur wenige Klicks entfernt.
„Größter Menschenversuch aller Zeiten“
Die Möglichkeiten, die das World-Wide-Web bietet, klingen für Doper nach Schlaraffenland. „Was momentan in Sachen neuer Substanzen läuft, ist der größte Menschenversuch aller Zeiten“, klagt Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg. An diesem Versuch beteiligen sich auch immer mehr deutsche Produzenten. Der Heidelberger Dopingjäger Werner Franke sprach beim Nürnberger Dopingsymposium im Oktober 2015 auch von Untergrundlaboren hierzulande: „Es ist wieder nicht-pflanzlich hergestelltes Testosteron im Umlauf“. Auf der gleichen Veranstaltung merkte der Mainzer Leistungsphysiologe Perikles Simon fast beiläufig an: „Man kann Testosteron herstellen, ohne dass es in der Analytik auffliegt. Man kann das ganze Jahr hindurch voll gedopt antreten und wird nicht auffliegen.“ Vermutlich hatten die „Jedermänner“ Nösig und Tovar das auch schon mal gehört. Nur hatten sie es dann mit der Dosierung übertrieben.
Kaum Wettkampfkontrollen
Wie kann man gegensteuern? In dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Perikles Simon kritisiert gar die generelle Herangehensweise. „Man verfeinert die Kontrollen und drangsaliert die Athleten mit Tests, verbessert aber nicht entscheidend die Analysemethoden. Das ist eine Unverschämtheit“, wettert er. „Es wird nicht genügend in die Qualität investiert“, bilanziert Simon und stellt den Jägern damit kein gutes Zeugnis aus. Die von ihm kritisierte Qualität bei Testverfahren ist ein Kriterium. Ein anderes, oftmals von Veranstalter-Seite vorgebrachtes Argument, sind die Kosten für Tests. Bislang seien die herkömmlichen Analysen zu teuer, um sie auch im Jedermann-Bereich einzusetzen, argumentieren viele Rennveranstalter. Auch deshalb werden Hobbysportler bei Radrennen, Marathons oder Triathlons in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch kaum getestet. Eine der besten deutschen Jedermann-Fahrerinnen der letzten Jahre bestätigte auf RennRad-Anfrage, dass sie bei den deutschen Events „noch nie getestet wurde.“ Es verwundert auch nicht, wenn der Moderator des Ötztaler Radmarathons, Othmar Peer, im Interview mit dem Blog SpeedVille sagt: „In den letzten 15 Jahren waren wenige Sieger beim Ötztaler sauber. Da bin ich mir sehr, sehr sicher.“ Wo kein Richter, da kein Henker.
Die Hoffnung: Ein Tropfen Blut
Doch es gibt Hoffnung auf günstigere Testverfahren. Eines davon ist die sogenannte Bluttropfen-Analyse (DBS: Dried Blood Spot). Sie wird seit Jahren beim Neugeborenen-Screening eingesetzt. Aus einem einzigen Tropfen Blut können dabei frühzeitig Stoffwechselstörungen erkannt werden. Dem Zentrum für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln ist es in der Testphase der Bluttropfen-Analyse gelungen, anabole Steroide, Stimulanzien sowie Cannabinoide „herauszulesen“. Die deutsche Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) begrüßt diese Fortschritte ausdrücklich. Sie hält es für möglich, dass das Bluttropfen-Verfahren mittelfristig im Breitensportbereich angewendet werden kann. Experte Perikles Simon vertritt hier einen pragmatischen Ansatz. Er plädiert allgemein dafür, neue Testverfahren sofort anzuwenden. „Wenn man dabei untergeht, dann ist es so.“ Leider hat die Bluttropfen-Analyse bislang noch einen Haken: Sie ist von der WADA derzeit nicht anerkannt und darf deshalb noch nicht eingesetzt werden.
Sind den Kontrollbehörden weiter die Hände gebunden? Die NADA spielt die Sache herunter: „Wir können uns auch jetzt schon vorstellen, Dopingkontrollen bei einzelnen Veranstaltungen durchzuführen“, heißt es aus Bonn. Zur großen Überraschung der Teilnehmer tauchten zum Beispiel NADA-Kontrolleure Ende September 2015 bei einer Radtourenfahrt (RTF) im fränkischen Forchheim auf. Dort sollen explizit auch RTF-Wertungskarten-Inhaber getestet worden sein. Einzelfall oder Strategie? „Ohne finanzielle Unterstützung werden wir uns auf wenige Veranstaltungen beschränken müssen“, meinen NADA-Offizielle. „Abschreckung durch Anwesenheit“ scheint deren Devise zu sein. Doch wie geht man langfristig gegen das Doping-Problem vor?
„Wir brauchen die Justiz als Hilfe“, fordern Experten wie der Kriminaltechniker Helmut Mahler seit längerem. In Deutschland gilt seit 1. Januar 2016 ein Anti-Doping-Gesetz. Neu gegenüber dem bisherigen Arzneimittelgesetz ist, dass Berufsathleten für Doping strafrechtlich belangt werden können, und zwar mit bis zu drei Jahren Haft. Nicht medizinisch angezeigter Besitz und Verabreichung von im Gesetz genannten 94 Substanzen, die dem Zweck der Leistungssteigerung dienen, werden strafbar sein, ebenso die im Wada-Kodex genannten Methoden wie Eigenblutdoping. Allerdings: Das deutsche Anti-Doping-Gesetz gilt nicht für den Breitensport. Wird also ein Freizeitsportler mit Testosteron, Epo oder einem Asthmamittel erwischt, geht er straffrei aus. Diese Unausgewogenheit wird in diesem Jahr wohl sogar vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt werden.
Soli für saubere Sportler
Die Jedermann-Szene ist durch die positiven Tests einiger sehr „erfolgreicher“ Fahrer 2015 aufgeschreckt worden. Viele der Hobbyathleten fordern die Einführung von Dopingkontrollen bei klassischen Breitensport-Events. Das legen auch die Kommentare in den sozialen Netzwerken zu den jüngsten Fällen nahe. Viele davon sehen vor allem die Veranstalter in der Pflicht. Das Organisationskomittee des Ötztaler-Radmarathons hat schon reagiert. Ein OK-Mitglied kündigte auf unsere Anfrage hin für 2016 von der NADA durchgeführte und vom Veranstalter finanzierte Kontrollen an. Dabei wären auch andere Finanzierungsmöglichkeiten denkbar. Zum Beispiel könnte man mit den Anmelde-Gebühren eine Art „Solidaritätszuschlag für saubere Sportler“ erheben. Fünf Euro mehr oder weniger würden die Teilnehmerzahlen wohl nicht signifikant nach unten ziehen. Das Geld würde in eine Art „Fonds“ fließen, aus dem die Kontrollen finanziert werden könnten. Bei einer Teilnehmerzahl von 5.000 Menschen ließen sich demnach 25.000 Euro generieren. Gleichzeitig würden auch die Sponsoren einen festen Prozentsatz ihres Budgets in diesen Fonds einzahlen. Die 30.000 bis 35.000 Euro, die dabei zusammenkämen, wären für die Veranstalter gut investiertes Geld - in mehr Glaubwürdigkeit.
Sportliche Wettbewerbe beruhen auf der Annahme, dass sie die natürlichen Fähigkeiten bei prinzipieller Chancengleichheit der Akteure belohnen. Leider schafft es auch der Breiten- und Hobbysport aktuell nicht mehr, diese zu garantieren. Die Bilanz dieser Recherche klingt dementsprechend düster. Es wird weiter gedopt. Die Verlockungen dazu sind für Viele einfach zu groß. Risiken und Nebenwirkungen spielen längst keine Rolle mehr. Das Tragische daran ist: Wirklich befriedigende Lösungen des Doping-Problems sind aktuell nicht in Sicht. //
Eine Übersicht über die gängisten Mittel im Breitensport
Schmerzmittel
Apirin- Der Name des Wirkstoffes ist ein Zungenbrecher: Acetylsalicylsäure (ASS). Wohl fast jeder hat die schmerzstillende Substanz schon einmal eingenommen. Nebenwirkungen: Reizungen, Sodbrennen und selten auch Blutungen von Magen- und Darmschleimhaut.
Ibuprofen - Es zählt zur Klasse der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Ibuprofen wird bei leichten bis mittleren Schmerzen angewandt. Nebenwirkungen: Häufig Magenschmerzen, Übelkeit und Durchfall. Selten Schwindel, Kopfschmerzen.
Tramadol - Aus der Gruppe der opioiden Schmerzmittel. Es wird zur Behandlung von mittelstarken und starken Schmerzen eingesetzt. Nebenwirkungen: Schwindel, Benommenheit und Übelkeit. Aber auch Entzugserscheinungen wie Depressionen, Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen und Zittern.
Paracetamol - Der Wirkstoff gehört zu den Nichtopioid-Analgetika. Selten bis sehr selten treten Störungen der Blutbildung, allergische Reaktionen, Bauchschmerzen, Übelkeit, ein Anstieg der Leberwerte oder eine Verkrampfung der Luftwege mit Luftnot auf. Eine Überdosierung von Paracetamol kann schwere Leberschäden zur Folge haben.
Klassische Dopingmittel
Erythropoetin (EPO) - Bei EPO handelt es sich um ein körpereigenes Hormon, das die Bildung roter Blutkörperchen stimuliert. Seit 2000 nachweisbar, fliegt man mit Mikro-Dosen von EPO aber auch heute noch unter dem Radar der Fahnder. Risiken: Wird das Blut zu dick, drohen Herzinfarkt und Schlaganfall. Auch die Krebsgefahr steigt mit Epo an.
Testosteron - Es gilt als „Doping der Deppen“ (Werner Bartens). Trotzdem wird künstlich zugeführtes Testosteron immer noch bei 70-80 Prozent aller aufgedeckten Dopingfälle nachgewiesen. Mit Testosteron wächst die Masse. Gleichzeitig verkürzt es die Regenerationszeit der Muskeln. Beliebt sind vor allem Hodenpflaster.
GW1516 - Erste Stufe des Gen-Dopings: Die Substanz GW1516 greift in den Muskelstoffwechsel ein. Sie vermehrt die Muskelmasse und erhöht den Trainingseffekt um bis zu 70 Prozent – nachgewiesen im Tierversuch. Risiken für Herz und Lunge sind bisher nicht erforscht.
Diuretika - Diuretika fördern die Flüssigkeitsausscheidung des Körpers und erschweren so den Nachweis von anderen Substanzen. Beliebt sind vor allem die Präparate Furosemid und Hydrochlorothiazid. Nebenwirkungen: Schwere Störungen des Elektrolyt-Haushaltes bis hin zu Herzrhythmusstörungen
Experten-Meinungen
Fritz Sörgel
„Vielleicht wird sich eines Tages herausstellen, dass zwar die Radfahrer die riskantesten Medikamentenorgien machten, das Drumherum aber weniger schlimm war. Die Gesamtsumme, um die es im Radsport ging, war dann doch geringer als im Fußball.“ (Professor und Direktor IBMP Nürnberg)
Oliver Schwarz
„Ich würde nicht so weit gehen, dass der Breitensport ein Dopingproblem hat, auch wenn uns die Vorfälle der letzten Jahre natürlich auch zu denken geben! Schade ist, dass sich die Medien immer mehr auf diese Thematik versteifen.“ (OK-Mitglied Ötztaler Radmarathon)
Eva Bunthoff
„Unser Ziel ist der saubere Sport. Daher begrüßen wir auch Kooperationen mit Rennveranstaltern, nicht nur in Bezug auf die Durchführung von Kontrollen, sondern insbesondere auch in Bezug auf die Prävention- und Aufklärungsarbeit.“ (Sprecherin der NADA Deutschland)